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François Joseph Bonanomi 1823 - 1892
Zapfenstreich
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Mein Urgrossvater, François Joseph Bonanomi, geb. 8. Mai
1823, gest. 8. April 1892, (in meinem Buch "Stammbaum-Bonanomi"
Nr. 32).
Von François Joseph Bonanomi gibt es sehr viele
Dokumente. Ich habe diese nach Themen geordnet und für jedes Thema eine
Webseite erstellt.
Bei den Personen gebe ich jeweils eine Nummer an. Diese
Nummer bezieht sich auf die Nummer in meinem Buch "Stammbaum Bonanomi". |
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Artikel Zapfenstreich von 1942
Artikel von Fritz Neumann: "La Retraite", der schweizerische
"Zapfenstreich" und sein Komponist. Ungekürzte Abschrift des
mittleren Teiles dieses Aufsatzes. Er erschien in "Schweizerische
Instrumentalmusik", Zeitschrift, Luzern, 1. März 1942, 31. Jahrgang,
Nr. 5, Seiten 51, 52. Aus diesem Artikel habe ich die nebenstehenden
Illustrationen entnommen.
Der Zeitungsartikel ist bei mir (63).
" "La Retraite"
Der schweizerische "Zapfenstreich"
und sein Komponist
Gibt es einen Schweizer, sei er Soldat oder
Zivilist, dem diese Klänge nicht vertraut wären? Wohl kaum.
In friedlichen Tagen haben sie schon Tausenden
von Soldaten das Ende der Freizeit verkündet und sie zur Heimkehr ins
Quartier gemahnt. Und welcher Schweizer Bürger hätte nicht schon seit
den Tagen der Grenzbesetzung 1914 und der jüngsten Mobilisation
Gelegenheit gehabt, die "Retraite" im Anschluss an ein
Militärkonzert oder einen andern militärischen Anlass zu hören? In
dieser Popularität steht der Zapfenstreich dem Volkslied nicht nach.
Deshalb geht es ihm auch ebenso wie dem Volkslied: Er klingt in aller
Ohren, er ist in seiner Art schweizerisches Kulturgut geworden, ist jedem
bekannt und allen wert, nach dem Komponisten aber fragt kein Mensch.
War es die Bescheidenheit des Autors oder waren
es Erwägungen anderer Art, dass sein Name ungenannt blieb? Das lässt
sich natürlich nicht feststellen. Tatsache ist jedenfalls, dass die
offiziellen Ausgaben der Tambour- und Trompeterordonnanzen der
schweizerischen Armee bis zum Jahre 1889 weder bei Signalen, noch bei
Feldschrittmärschen die Namen der Autoren nennen. Es mag sein, dass man
diesen meist kurzen, auf die Verwendung von Naturtönen angewiesenen
musikalischen Motiven wenig oder gar keinen künstlerischen Wert beimass.
Bei aller Einfachheit der thematischen
Erfindung entspricht der "Zapfenstreich" dem Zwecke eines den
Schritt beschleunigenden Marschierens. Der Soldat soll ja
"pressieren", dass er noch vor dem Verklingen des letzten Tones
sein Quartier erreicht. Es ist anzunehmen, dass der Komponist nicht nur
rein gefühlsmässig, sondern bewusst die Mensurierung im 6/8-Takt
gewählt hat, weil er den Charakter des "Geschwindmarsches"
besonders unterstreichen wollte. An sich ist die formale Struktur der
"Retraite" ebenso einfach wie deren melodische Linie. Der erste
und zweite Teil basiert auf den zur Verfügung stehenden Naturtönen und
Naturharmonien: Dreiklangbrechung zum Zwecke der Melodiebildung und
Wechsel der latenten Grundharmonien von Tonika und Dominante. Diese
Formulierung wirkt gleichzeitig mitbestimmend auf den Signal- oder
Fanfarencharakter des Marschmotives.
Das Trio scheint erst später hinzugefügt
worden zu sein. Es präsentiert sich als achttaktige Periode in der Tonart
der Unterdominante und einer ebenfalls achttaktigen Periode in der
parallelen Molltonart, die zur Wiederholung der ersten Periode
überleitet. Die Verlängerung der Form durch das Hinzufügen eines Trios
erwies sich offenbar als notwendig, denn für den praktischen Gebrauch als
Strassenmarsch ist die ursprüngliche Form zu kurz. Der Ausbau und die
vermutlich vorgesehene Verwendung als Strassenmarsch bedingte eine
mehrstimmige Bläserbesetzung. Damit war auch die Bereicherung des
melodischen und harmonischen Aufbaues geboten. Daraus erklärt sich, dass
wir im Trio neuen und interessanteren Harmoniefolgen, Dreiklängen und
deren Umkehrungen, Septimenakkorden und dem Ausweichen in das
Mollgeschlecht begegnen.
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"La Retraite". Der schweizerische "Zapfenstrich"
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Diese folgerichtigen Erwägungen, welche zur
formalen und inhaltlichen Ausgestaltung führten, machen den Zapfenstreich
als Strassenmarsch gebrauchsfähig. Ob sie vom Komponisten selbst stammen,
lässt sich wohl annehmen, aber nicht bestätigen, denn ein
handschriftliches Original oder eine Kopie seiner Niederschrift existiert
nicht mehr. Es dürfte, nach Angaben seiner Nachkommen, bei einem
Hausbrande zugleich mit seinen reichhaltigen geologischen und botanischen
Sammlungen ein Raub der Flammen geworden sein.
Der straffe, schrittbeschleunigende Rhythmus
der "Retraite" hat die charakteristischen Merkmale
französischer oder italienischer Geschwindmärsche. Die Vermutung, dass
der Autor der "Retraite" französischer oder italienitscher
Abstammung sein mochte, liess sich nicht von der Hand weisen. Und
tatsächlich bestätigen die nachfolgenden biographischen Notizen über
den Komponisten des schweizerischen "Zapfenstreich" die
Richtigkeit dieser Annahme im vollsten Umfange.
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Trio des "Zapfenstreichs"
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Joseph Bonanomi, geb. 1823 - gest. 1892.
Der Geschlechtsname Bonanomi deutet zweifellos
auf italienische Herkunft. Nachforschungen haben ergeben, dass der Name
Bonanomi in der Gegend von Como und im Veltlin (Bormio) häufig
anzutreffen ist. In Como selbst gibt es eine "Piazza Bonanomi".
Man nimmt an, dass die Bonanomis aus Como zugezogen sind und sich im
Tessin niedergelassen haben, denn auch hier ist der Name vertreten. So
lebt in Locarno-Muralto ein Pfarrer Paul Bonanomi, der mit der in
Delémont lebenden Enkelin des Komponisten verwandt ist.
Joseph Bonanomi, den Vater des Komponisten,
finden wir bereits als Bürger von Delémont. Geboren zu Porrentruy im
Jahre 1785, machte er als Sergeant (Bemerkung von Henri Zurbrügg (Nr.
339): Hier sollte stehen Soldat, denn Sergeant sei eine zivile
Funktion, Joseph Bonanomi sei erst 1823 als Sergeant ernannt worden.) in
napoleonischen Diensten den russischen Feldzug, den Rückzug und die
Schlachten von Leipzig und Waterloo mit. Er starb in Delémont im Jahre
1853.
Joseph Bonanomi (von Courchavon), der Komponist
der "retraite", wurde am 9. Mai 1823 in Delémont geboren. Er
besuchte die Schulen von Delémont und Porrentruy und wirkte in den Jahren
1843 - 1888 als Professor für Naturwissenschaften, Geographie und Gesang
am "Collège de Delémont". Aus den Nekrologen, die anlässlich
seines Ablebens in den Zeitungen "Le Démocrate" vom 10. April
1892 und "Démocrate" vom 12. April 1892 erschienen, entnimmt
man, dass Joseph Bonanomi ein über die Grenzen des Jura bekannter Mann
war. Als Geologe und Botaniker aus den Schulen Gressly, Thurmann und
Greppin hervorgegangen, kannte niemand die Flora des Jura besser als er.
Er veröffentlichte mehrere Werke und
hinterliess Berichte über die Geologie unseres Landes. Während einiger
Jahre redigierte er den "Courrier du Jura" und gründete die
Zeitung "La Locomotive" in St-Imier. Zum Journalisten fühlte er
sich jedoch nicht berufen. Sein Platz war auf dem Gebiete des
Unterrichtes. Wiederholt zum Professor des Progymnasiums in Delémont
gewählt, arbeitete er mit jugendlicher Leidenschaft an der Organisation
und am Ausbau mineralogischer und anderer Sammlungen, die noch heute im
Besitze der Schule sind.
"Herr Bonanomi", so heisst es weiter,
"war seit seiner Jugend an den Arbeiten der Initianten zur Förderung
des Eisenbahnwesens beteiligt. Auch auf diesem Gebiete sind ihm seine
Mitbürger zu grösstem Dank verpflichtet. Er hat zur Entwicklung und
Pflege der Musik unter der Jugend des Delsberger Tales viel beigetragen.
Delémont verliert in Professor Bonanomi einen Gelehrten und guten Bürger
mit Weitblick und Grossmut". Unter grosser Beteiligung wurde der am
8. April 1892 Dahingeschiedene zu Grabe getragen.
Aus der im Jahre 1935 zur 60. bzw. 75.
Wiederkehr des Gründungstages erschienenen Festschrift der "Fanfare
municipale Delémont" geht hervor, dass Professor Bonanomi in den
Jahren 1864, 1873 bis 1882 als deren Dirigent fungierte. Die bezüglich
der Komposition der "Retraite" auf mündlicher Überlieferung
beruhenden Mitteilungen sind zweifellos authentisch. Sie stammen von der
heute noch in Delémont ansässigen Frau Clara Dreyer (Nr. 338), der
Enkelin von Professor Bonanomi und ihres in Bern lebenden Sohnes Dr. Henry
Zurbrügg (Nr. 339). Für die Zuverlässigkeit der Angaben spricht
überdies der Umstand, dass der Zapfenstreich als offizielles Signal der
schweizerischen Armee zum 1. Male in der Ausgabe der Trompeter-Ordonnanz
für die Infanterie vom 27. März 1877, zum 2. Male in der gleichen
Ausgabe vom 3. April 1883 - und zwar ohne Trioteil auftritt. Dieses
erscheint erst in der Ausgabe vom 6. Juni 1889. Somit dürfte die
Konzeption der "Retraite" in die Jahre vor 1877 fallen, wo
Joseph Bonanomi Dirigent der "Fanfare municipale" von Delémont
war.
Mit diesem kurzen Lebensbilde soll die
Persönlichkeit des Komponisten eines der zügigsten schweizerischen
Militärmärsche nicht nur der unverdienten Vergessenheit entrissen
werden. Vielmehr soll sein Name von nun an jenen Platz einnehmen, dem ihm
gebührt: nämlich auf allen Konzertprogrammen, in denen der Zapfenstreich
als Vortragsstück erscheint, in den allfälligen Neuausgaben der
Trompeter-Ordonnanzen für die Schweizer Armee und auf den zahllosen
Bearbeitungen für die verschiedenen Instrumentalbesetzungen. Es braucht
kaum noch betont zu werden, dass diese Namensnennung sowohl gegenüber dem
Schweizer Bürger, Gelehrten und Musiker, als auch im Hinblicke auf seine
noch lebenden Nachkommen nicht mehr als recht und billig wäre.
Zu den Worten "Retraite" und
"Zapfenstreich" als Begriffe wäre noch in ethymologischer
Hinsicht einiges zu sagen. Als Rufsignale, von Trommlern oder Trompetern
gegeben, besagen sie, dass die ausserhalb der Quartiere oder Kasernen
weilenden Soldaten sich dahin zu begeben haben. Sie sind an eine bestimmte
Abendstunde gebunden, die je nach Umständen vor- oder rückverlegt werden
kann. Die Bezeichnung "Retraite" ist zutreffender. Sie heisst
eben "Rückkehr". Das Wort "Zapfenstreich" hingegen
hat übertragene Bedeutung. Es fordert einerseits die Soldaten zur
Rückkehr auf, anderseits befiehlt sie den Wein- und Bierwirten sowie den
Marketendern, den Ausschank an die Soldaten einzustellen, den "Zapfen
zu streichen" bzw. abzudrehen.
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François Joseph Bonanomi (32)
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Im Zusammenhange mit meinen Untersuchungen
über die Herkunft der schweizerischen Militärmärsche wurde ich
wiederholt über die Herkunft der "Diane", der
"Tagwacht", gefragt. Bis vor kurzem konnte ich keine Auskunft
darüber geben. Nun scheint es mir wahrscheinlich, dass das Signal
"Tagwacht" nicht schweizerischen Ursprunges ist. In Nr. 5 der
Originalausgabe "Preussische Posthornsignale" (siehe Thieme:
Posthornschule, Handbuch der Musikwissenschaft, Athenaion Verlag
Wildpark-Potsdam, Band Instrumentalkunde von Dr. Wilhelm Heinitz S. 69)
findet sich ein Signal für "Abgang und Ankunft von
Schnellposten" wie folgt:
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Signal für "Abgang und Ankunft von Schnellposten"
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Es deckt sich, wie man sieht, völlig mit den
Anfangstakten unserer "Tagwacht". Die Fortsetzung ist frei
erfunden.
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Die frei erfundene Fortsetzung
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Der die Stelle eines Trio vertretende Nachsatz
in der u.-Dom. steht ebenfalls in keinem thematischen Zusammenhange mit
dem Vordersatz und dürfte, aus denselben Gründen der Zweckmässigkeit
wie bei der "Retraite", später nachkomponiert worden sein.
Fritz Neumann"
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Webseite erstellt durch Monique Bonanomi (63)
und Paul Märki (4060) am 2003.03.10. Letzte Revision am 2003.03.10. |
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